Sa 30/07 17.00

Seebühne

doppelfinger

Ein verbreiteter Irrglaube ist, dass es recht einfach wäre, akustische Singer-Songwriter-Musik aufzunehmen. Da eine Fingerpicking-Gitarre, dort ein bisschen Klavier und Besenschlagzeug, ein paar Cello-Linien zum Zuckerguss, über allem eine sanfte Stimme und dazwischen viel Raum. Tatsächlich gibt es kaum ein heikleres Format, wenn es darum geht, die Spannung zu halten, denn – frei nach Les Blank/Leon Russell – „a poem is a naked person“. Clemens Bäre alias doppelfinger versteht sich auf die Kunst, seine Lieder/Gedichte so leicht wie möglich zu kleiden.

„by design“, doppelfingers heuer erschienenes Debüt-Album, koproduziert, aufgenommen und teils als Koautor bearbeitet von Jakob Herber (FLUT, Culk, Anger, Sophia Blenda), gemischt von Sophie Lindinger (Leyya, My Ugly Clementine), mit keinem anderen als Lukas Lauermann am Cello und OSKA an den Backing Vocals, bewohnt eine Welt irgendwo zwischen Nick Drake, Sufjan Stevens und dem jungen Bob Dylan, aber – wie es der Titel eines von Bäres besten Songs ausdrückt – „knowingly“, also ohne je in Biederkeit oder Betulichkeit abzudriften.

Stimmt schon, all die hier erwähnten Referenzen kommen aus einem anderen Jahrhundert als der 20-jährige, aber das spielt wenig Rolle in der Welt der digitalen Allgegenwart sämtlicher Epochen.

Dass ein Großteil dieser Songs, die aus einem anglosphärischen Anywhere zu stammen scheinen, tatsächlich in einem Kinderzimmer in Oberösterreich geschrieben wurden, ergibt umso mehr paradoxen Sinn, sobald man – vielleicht beim zweiten oder dritten Hören – solipsistischen Zeilen wie „I don’t have real friends / Cause I can’t share the love that’s in my head“ („my oh my“) oder „I feel bad about every line I write / I regret it all after one night / I’ve learnt how to hide“ („how to hide“) Gelegenheit zum Nachschwingen gibt. Hier versteckt sich nichts hinter popkulturellen Codes, hier entblößt sich ganz furchtlos die Entfremdung von einer Welt, welche ohnehin nicht zuhört oder versteht. Oder am Ende vielleicht doch, such is the nature of pop.

Text: RR / Foto © Alex Gotter

 
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