Wien ist einer der weltbesten Böden für hochausgebildete Jazz-Virtuos*innen, die sich beizeiten entschließen, weit jenseits ihres Reviers in Richtung der Außenbezirke des Pop-Begriffs zu streunen. „oh alien“, heißt es in ihrem Info-Text, „ist ein überraschtes ‚oh‘ an das Unbekannte im Selbst und eine Konversation mit Pop. Anselma Schneider, Luca Weigl und Rafael Henninger schreiben ‚filigran versponnene Lieder‘ (Ö1), die von Hüpfburg-groß aufgeblasenen Mikrokrisen und den schimmernden Träumen der Mid 20s erzählen. Erfahren im trouble-hopping besingen sie Versagensängste, die unrealistischen Erwartungen an das eigene Leben sowie alle Konsequenzen daraus, und versuchen sich so einen Raum zu schaffen, in dem sie sich nicht ‚alien‘ fühlen.
oh alien ist eine Frage, ein Ausruf, ein Seufzer, ein Scherz, ein Liebesbrief. Die selbstgewählte Bezeichnung Avantgarde-Pop ist dabei mehr Behelf als erschöpfende Beschreibung. Im Spannungsfeld zwischen klassischen Liedformen und deren Auflösung treffen elegante Balladen
auf komplexe Popsongs, bei denen sich auch immer eine gewisse weirdness offenbart. Ein Sound, der Körper bewegt und Gedanken anrührt – rau und elektrisierend.“
Auf frühen Songs wie ihrer zweiten Single „EDGY“ (2021) pflegten oh alien dabei noch ein beinahe selbstparodistisches Phlegma, auf „Wear The Words“ rührte sich bereits die innere Unruhe („Oh, who ever told you to keep quiet / Oh, next time you’re gonna start a riot“) und im Opener ihrer EP „This Might Be The Place“ ließ uns Sängerin Schneider bereits wissen, „Inside I’m burning / From running, turning, just to keep the illusion of control“ („Surface“), einstweilen erlaubte sich in Songs wie „DYWTKHA“ die Gitarre einen expressiven Ausbruch ins Reich von Radiohead. Ihr neues Album wurde von Sixtus Preiss produziert, es wird erst nächstes Jahr erscheinen, das Popfest kann sich also auf bisher Ungehörtes gefasst machen.
Foto © Magdalena Chan