Die Leute behaupten ja grundsätzlich gern, sie ließen sich auf nichts festnageln und vermischten alle Genres. Bei Enesi M. ist das allerdings mehr als nur eine Redensart. Sie rappt, sie singt, sie screamt auf Englisch, Spanisch, in brasilianischem Portugiesisch, manchmal gar auf Deutsch. Ihren Sound kann man als Deconstructed Club Music, teils auch als Hyperpop bezeichnen. Zu den Genres, die sie da dekonstruiert und rekombiniert, gehören Baile Funk, Metal, Emo/Goth, Reggaeton, manchmal sind es auch einfach Popsongs, und von Beat zu Beat lässt sich kaum erraten, welche Inkarnation der Enesi M. als nächstes um die Ecke kommt.
Einmal sind die Vibes positiv und tanzbar, wie im Anderthalb-Minuten-Hit „Brazilcore“, dann wieder düster-mystisch wie in ihrer Single „Serpent’s Tongue/Witch’s Heart“. Zwischendurch drängt sich der Eindruck auf, dass hier neben queerer Sexualität und Selbstermächtigung auch jede Menge Zorn – gegen Rassismus, Sexismus, Bigotterie – als Energielieferant dient, bestätigt von Textzeilen wie „This is legit rage / Get out of my face“ („Legit Rage“) oder „This is my world bitch, you only live in it“ („My Fairytale“)
Ersterer bzw. die letzteren zwei erwähnten Songs finden sich auf Enesi M.’s letztes Jahr erschienenem Album „Dystopia“, das weniger von einer fernen Dystopie als von unserer derzeitigen Realität zu erzählen scheint. „Thematisch ging es mir auch um dieses Doom-Feeling, dass wir keine oder nur eine schwierige Zukunft haben werden“ sagte Enesi M. vergangenen Dezember in einem Interview, „Ich meine, der Titel sagt es relativ explizit: Es fühlt sich zurzeit alles sehr dystopisch an. Mir war es wichtig, diese Negativität zu bearbeiten, daraus aber etwas Positives zu schaffen und es mit meiner Musik in andere Kanäle zu leiten.“ In Zeiten wie diesen braucht es dazu eben manchmal gutturale Schreie und ordentlich viel Theaterblut.
Foto © Ifeatu Nnaobi