Einiges hat sich entwickelt in der Welt der Band ZINN, seit sie vor zweiten Jahren zum ersten Mal beim Popfest auftraten. Das „Chthuluzän“, jenes von Philosophin Donna Haraway herbeigeschriebene Zeitalter einer Einheit aller Lebensformen lässt zwar noch auf sich warten, während Anthropozän bzw. Kapitalismus und Patriarchat sich an ihre Herrschaft klammern. Aber immerhin lässt sich das nach Haraways Wortschöpfung benannte ZINN-Album jetzt schon als einer der großen Würfe dieses Jahres werten.
Ein Konzeptbogen, groß genug, eine Rachehymne wie „Stirb Patriarchat Stirb!“, die geballte Melancholie von „Die Dramaturgie des Nachmittags“ und die fundamentale Welterklärung von „Das Kapital“ zu umfassen. Der dazu noch die Empathie zum nicht-organischen Proletariat von „Maschine sag“ („I wanna dance with my AI friends“) mit einer gewagten Neuvertonung von Bert Brechts „Seeräuberjenny“ und schließlich dem bitter fatalistischen Endzeitwitz des „Apocalypso“ (ganz sicher keine Verwandtschaft zu einem alten EAV-Hit) vereint.
Der aktuelle Pressetext der Band rund um Sängerin und Gitarristin Margarete Wagenhofer, mit Lilian Kaufmann an Schlagzeug & Percussion und neuerdings Pete Prison IV (Mekongg, Bosna) and Bass und Synth, subsummiert all das unter den beiden Worten „Chanson Punk“ und zitiert ZINN mit folgendem Statement:
„Derzeit zwingen Ausbeutung, Überproduktion und Überbevölkerung unseren Planeten in die Knie. Doch nicht Technikoptimismus oder zynische Endzeitstimmung kann die Antwort sein, sondern unruhig müssen wir bleiben und uns von der alten, patriarchalen und sehr weißen Erzählung lösen. Es ist von Gewicht, welche Geschichten Geschichten erzählen, sagt Haraway und es ist auch von Gewicht, welche Konzepte Konzeptalben werden. ZINN ist ein weiches Schwermetall und wenn eins es verbiegt, schreit es.“
Foto © Apollonia Theresa Bitzan