Es gibt Leute, die spielen beim Wiener Popfest, weil das Leben sie von anderswo her geweht hat. Bei Viji ist es umgekehrt. Vanilla Jenner, wie sie bürgerlich heißt, wuchs in Wien auf und zog als Teenagerin in die USA, dann nach Brasilien. Danach studierte sie in Brighton Musikproduktion und lief dort keinem geringeren als dem britischen Indie-Produzentengott Dan Carey (Black Midi, Fontaines D.C., Goat Girl, Wet Leg, Kae Tempest, La Roux etc.) über den Weg.
Aus dieser Begegnung und nächtelangen Jams resultierte ihr vergangenes Jahr beim endlos hippen Label Speedy Wunderground erschienenes Album „So Vanilla“. Und ja, der Titel ist offensichtlich ironisch, Vijis Sound ist nämlich, wie ihr Pressetext es ausdrückt, purer „indie sleaze“. Ihre Songs versprühen eine funky/stoned Nineties-Post-Grunge-Ästhetik samt kreisenden Ohrwurm-Hooks und wissenden Wortfetzen, die aufhorchen lassen, wie „Counter-culture is my baby“ oder „And you barely ever see me / But you text me as if you love me / Sometimes I wish I were ugly / Pretty ugly“
Beide Zitate aus „Karaoke“, dem Quasi-Titelsong der Platte („So vanilla now / Sweet as ice / Crystalline“). Songtitel wie „Sedative“ und „Ambien“ erzählen davon, wie sich das betäubte Jung-Sein in der Post-Covid-Ära anfühlen kann. Ein Indie-Disco-Schlager wie „Say Hi“, der hauntologisch tangential Waterloo Sunset referenzierende Sommer-Singalong-Hit „Sundress in Pink“ oder das ins regelrecht Noise-ige abtauchende „Down“ nähren sich an einer ungesunden Mischdiät von party spirit und comedown vibes. „Do I have to feel down to reach?“, fragt Viji in letzterem Song, „Misery makes me holy / I’m holy.“ Wie gesagt, Vanilla ist das alles ganz und gar nicht.
Foto © VIJI