Seit dem Ende der 1960er gibt es immer irgendwo ein Sixties-Revival. Sinn oder Unsinn der Übung bestimmt dabei die Frage, wo genau man sich in diesen Ur-Text der Popmusik einklinkt, und was man ihm an Gegenwart hinzuzufügen hat. In beider Hinsicht liegt Jannik Rieß, Erfinder, Sänger und Songwriter von Potato Beach punktgenau richtig: Sein Sound bezieht sich auf exakt den magischen Moment 1965-66, als trashiger Rock’n’Roll, Freakbeat, Surf Music, Folk Revival, halberinnerte Kirchenlieder und blauäugiger R&B sich fließend in abenteuerlichste Psychedelik und manierierten Baroque Pop verwandelten.
Jener nach allen Kipppunkten zwischen Modernismus und Postmoderne in der Popmusik, als die Kugel in alle Richtungen rollen konnte und von Halluzinogenen beflügelte Geister mittels Spinnet und Zwölfsaitiger, Mellotron, Marimba, Feder- und Platten-Hall zu abenteuerlichen Reisen in scheinbar unbegrenzte Technicolor-Welten aufbrachen.
Doch wie all die besten Retronaut*innen, von Dan Treacy bis La Luz, borgt Rieß sich die Ästhetik jener Zeit nicht zum Schwelgen in nostalgischen Fantasien, sondern um von seinem Hier und Jetzt zu singen, ohne sich mit ihm gemein zu machen.
Zum Beispiel wenn der Wahl-Wiener in „Meltdown“ die unerträglich heiß gewordenen, völlig irre machenden Sommer der Stadt zum Thema eines großen Mitsing-Chorus macht: „All the heat won’t let me sleep“. Tatsächlich klingt „Dip In“, das schlicht fantastische Debüt-Album von Potato Beach wie die erfolgreiche Verwandlung jener speziellen Lethargie, die Wien in seinen Bewohner*innen so gern erzeugt, in die schönstmöglichen Songs, die eine verschwitzte Kartoffel hervorbringen kann. „Too many people make me feel alone“, singt Jannik Rieß – frei nach Post-Beatles-McCartney – in „Is It Me“, Das hat mittlerweile Ironie angenommen, denn seit seinen im Alleingang angegangenen Aufnahmen ist Potato Beach zu einer vollständigen Band angewachsen. Kurz gesagt: Hier kündigt sich ein gar nicht so heimlicher Höhepunkt dieses Festivals an.
Foto © Luca Celine