NEUNUND­NEUNZIG

Was ist berührender? Die in seinem Sound mitschwingende, prä-milleniale Sehnsucht eines spät-Analogen Synths nach einer digitalen Zukunft, die er nie erleben wird? Oder die tiefe Melancholie des Digitalen, das nicht empfinden, aber umso besser nachempfinden kann? Beide Sorten Sentiment beseelen den Sound von Neunundneunzig. Ihr Info-Text spricht von einer „romantischen, retrofuturistischen Melange aus Cold-Wave-Einflüssen und Cloud-Rap-Sounds, eingebettet in eine Ästhetik aus verrauschten Super-8-Aufnahmen und Smartphone-Schnappschüssen“, verrät aber (wohlweislich) nichts über die dahinter steckenden Menschen Leonidas Braith und Ilja Danzinger, denn „Neunundneunzig lassen sich lassen sich ungern in die Karten schauen.“
Da haben sie auch recht, schließlich geht es darum, die Integrität ihrer unterschiedlichen Alter Egos Amandus 99, Danzinger 99, Saiya Tiaw und Nicki Papa zu beschützen. Auf charmante Art ist das eine Rückkehr zur Strategie des Pop als Überwindung von Identität, im Gegensatz zur Repräsentation von Identität (wie in den letzten ein, zwei Jahrzehnten ad nauseum durchgespielt). Oder wie es das „Band“-Info ausdrückt: „Was zunächst etwas komplex scheinen mag, ist in Wirklichkeit das Ergebnis zweier vielseitiger junger Musiker, die lieber durch ihre Kunstfiguren als in sozialen Medien mit der Außenwelt kommunizieren
Diese außergewöhnliche Attitüde hat sie gleich zu Beginn ihrer Karriere auf eine Europa- Tour durch ausverkaufte Clubs geführt und auch in Deutschland und Österreich die Bühnen schnell größer werden lassen. Denn in ihren Live-Shows finden all ihre Projekte zusammen, dort verschmelzen die Kunstfiguren wieder zu Personen auf der Suche nach einer Gemeinschaft mit dem Publikum.“
 
Foto © Aaron Chaudhry

 
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