Leben heißt mit Widersprüchen umzugehen. Das Popfest ist gewissermaßen der Nino aus Wien bzw. der Nino aus Wien ist das Popfest. Es stimmt allerdings ebenso, dass Nino Mandl schon seit einem unangekündigten Gastauftritt bei Voodoo Jürgens im Jahr seiner Co-Kuratur 2018 nicht mehr als Der Nino aus Wien auf einer Popfest-Bühne gestanden ist. Sechs Jahre, das ist eine lange Zeit.
Gleichermaßen wahr ist, dass der Nino aus Wien 2010 am allerersten Popfest-Abend die Seebühne bespielte, das Popfest aber dieses Jahr zum allerersten Mal eröffnen wird.
Unbestreitbar wiederum hatte er damals schon mit David Wukitsevits am Schlagzeug, pauT am Bass und Raphael Sas an Gitarre und Tasten dieselbe Band dabei, was alle vier Beteiligten als solide, verlässliche Menschen ausweist.
All dessen ungeachtet gilt zudem, dass der Nino aus Wien und seine Band in mehr als eineinhalb Jahrzehnten von „The Ocelot Show“ über „Down in Albern“, „Schwunder“, „Bulbureal“, „Träume“, „Bäume“, „Wach“, „Der Nino aus Wien“, „Ocker Mond“ und „Eis Zeit“ bis hin zum jüngsten Werk „Endlich Wienerlieder“ einen breiten Fächer aus diversen Stilen, Idiomen und Gesten entfaltet haben, der sich in einem einzigen Bühnenauftritt schon längst nicht mehr erfassen lässt.
So wie einst David Bowie nie der Thin White Duke und Ziggy, Tin Machine und Berlin-Ära zugleich verkörpern konnte, kann auch die Auswahl der Nino aus Wien beim Durchschütteln des Kaleidoskops seines Katalogs zwangsläufig nur in verstreuten Schlaglichtern das weite Land seines Schaffens illuminieren. All das ist zu bedenken, wenn er nun nach all den Jahren wieder die Seebühne betritt. Man kann es aber auch vergessen und sich einfach dem größten Singer-Songwriter seiner Generation aus Wien anvertrauen.
Foto © Ingo Pertramer