popfest

VOODOO JÜRGENS

Voodoo Jürgens GESANG, GITARRE
Martin Dvoran BASS
David Schweighart SCHLAGZEUG
Bernd Lichtscheidl KEYS
Matthias Frey GEIGE, KEYS
Alexander Kranabetter HORNS

A SCHWIMMFLÜGERL SOLL A DA SEI

EINE LIEBESERKLÄRUNG VON KATHARINA SEIDLER
Erzähle eine Kindheit in vier Zeilen. Packe ein Leben in eine Handvoll Strophen. Wenn das in Österreich jemand kann, dann ist das Voodoo Jürgens. Sein Auftauchen in der heimischen Popmusik-Welt vor vier Jahren war eine kleine Sensation, auch wenn er als Musiker schon davor umtriebig war. Bereits in der Zeit vor „Ansa Woar“, dem brillanten Debütalbum seines Alter Egos Voodoo Jürgens aus 2016, erforschte er mit der Band Die Eternias die Universen von Gauklern und Zauberern, Mythen und Märchen, selbsterfunden oder irgendwo aufgeschnappt. Die Eternias traten in Harlekinskostümen auf und sangen auf Englisch in schrammeligen Garagenrock-Songs mit ausgeprägtem Hang zum 60ies-Rock’n’Roll von Monkeys und Junkies, von Lebenden und Toten. Letztere sollten dann auch eine Schlüsselrolle in seiner Neuerfindung als deutschsprachiger Liedermacher einnehmen, als er mit „Heite grob ma Tote aus“, seiner Hymne auf einen Ausnahmetag, einen Überraschungshit landete: „Heite samma stoiz auf uns, wir finden sicha no an Grund“. Dazu leiert eine markante Orgel. „Ansa Woar“ stieg auf Platz 1 in die österreichischen Albumcharts ein und machte Voodoo Jürgens sofort auch in Deutschland bekannt.
Die Liebe zum Morbiden und Abseitigen, die österreichischen Musiker*innen vor allem in den Nachbarländern gerne attestiert wird und die Voodoo Jürgens’ Werk auch wirklich durchzieht, war in dieser Debütsingle bereits ebenso enthalten wie sein doppelbödiger Humor. Voodoo Jürgens erzählt ernste Geschichten mit Augenzwinkern, vor allem aber mit Liebe und Respekt, und zwar auch dann, wenn ihre Protagonisten eher zwielichtige Gesellen sind. Der Rickerl aus „Gitti“ drückt sich vor den zu zahlenden Alimenten und taucht regelmäßig unter; auf Album Nummer 2, „‚S klane Glücksspiel“, bringt der Taxler Andl diverse Nachtschwärmer auf zweifelhafter Mission durch die Nacht. Später ergeht ein Auftrag über das Schmuggeln einer „Roden Sporttoschn“ aus einem Spind im Wiener Jörgerbad in ein Flugzeug („Waunst amoi drinsitzt, kaun da nix mehr passiern“), und ein Fertigteilhaus am Stadtrand wird zum Symbol für ein verpatztes Leben nach einem One-Night-Stand („Scheidungsleichen“). Nicht nur aufgrund der Gaststimmen von Jazz Gitti bis Louie Austen, sondern vor allem wegen Voodoos eigenem schauspielerischem Talent, seinen Tonfällen und Stimmnuancen, und wegen ihres dramaturgischen Aufbaus sind Voodoo Jürgens-Songs immer auch kleine Hörspiele.
Die Lieder auf den reinen Inhalt ihrer Geschichten zu reduzieren, nähme ihnen allerdings die Seele. Voodoo Jürgens begegnet der Welt, die sich so oft brutal zeigt, mit allergrößter Zärtlichkeit. Wenn die Gegensprechanlage eines Hauses zum Sprachrohr zweier Liebender wird („Heast, wir zwa san a Paarl, do kennt si kana aus, des ane mecht i scho sogn, I bin froh, dass i di hob“), sieht man das Hin und Her, die Trinkeskapaden und Entschuldigungszyklen der beiden förmlich vor sich; dasselbe lässt gilt für die verpasste Romanze am „Eislaufplotz“ oder die zwei toten Haustierfliegen am „Fenstabrettl“ („Schau, wies liab de Haxn in die Hee streckt“).
In ihren allerschönsten Momenten ist Voodoo Jürgens’ Musik ein Angebot an die Zuhörerschaft.

//„Mein Gott na, mein Gott na!
Sie schaun jo gaunz erledigt aus
Eigentlich is gaunz anfoch:
Immer nur grod aus
Grod, grod, grod bis anstengan
Daun sans eigentlich scho do
A Stickal kaun i mit erna geh
Owa furn do biag i o.“//

Komm wir gehen ein Stück, und ich erzähl dir was. Von einer Kindheit in Tulln, von Klassentyrannen und Jugendlieben, von Schulschwänztagen und Abenteuern, Familien und verlorenen Freunden. Die Schuljause („A Sackl Chips, 2 Liter Eistee“) als Marker für die Verhältnisse daheim, ein fehlendes Mitteilungsheft, ein geteiltes Pausenbrot („eigwicklt (…) in Staniol“): Egal, was davon //wahr// ist, es steckt in all diesen Bildern eine große Wahrheit.
Musikalisch hat Voodoo Jürgens mit der Ansa Panier eine kongeniale, ideale Band an seiner Seite. Sie untermalt seine Antifolk-Hörspiele und neuen Austropopsongs, die Balkanpop-Murder Ballads und Rock’n’Roll-Hymnen mit beherzter Verve und der richtigen Portion virtuoser Schlampigkeit. Auf „S klane Glücksspiel“ kommt, nicht zufällig etwa bei Jürgens’ erstem politischen Song-Statement „Angst Haums“, außerdem erstmals ein noisig-freejazziges Element hinzu. Die Welt ist düster, aber hier ist jemand, der ihre Abgründe beleuchtet und versteht, und er reicht dir gern die Hand und zieht dich aus dem Graben.

//I sing an Ohrwaschlkräuler
I sing erm für di
A Ohrwaschlkräuler, i schenk d’an
Nimm d’an glei mit
Sing erm, wauns da schlecht geht
Daun spent’ a da Trost
Er soll di außereißen
Waunst grod an nix glaubst//