Samstag, 27. Juli 2013 23.00

LEHNEN

Sie sind eine Rockband, die sich für große Gesten nicht geniert. Vielleicht liegt das auch daran, dass die zwei Gründungsmitglieder Joel Boyd und Matthew Prokop in Wien lebende Amerikaner sind, denen die Tendenz dieser Stadt, sich selbst nur als Gartenzwergversion der echten Welt zu sehen, noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen ist. Im Video-Tagebuch zu den Aufnahmen ihres neuen Albums „I See Your Shadow“ schwenkt die Kamera von einem Ende der monumentalen Verstärker-Sphalanx zum anderen, während die Stimmen von Boyd und Gitarrist Martin Konvicka uns erklären, mit welchem der klingenden Burgtürme sie jeweils welche Sounds produziert haben. Dinge also, die andere erst an jenem Punkt der Karriere tun, wo sie selbst keine Verstärker mehr tragen müssen. Als er gemeinsam mit seinem Freund Joel vor sechs Jahren Lehnen gründete, „wollten wir große, epische Rockmusik machen. Musik, die man in Wien nicht oft finden kann,“ schreibt Matthew Prokop im Blog der Band Man träumte von „riesigen Touren, Fans und Ruhm und der Möglichkeit, die Welt positiv zu verändern.“ (Übersetzung)
Nicht dass Prokop an chronischer Selbstüberschätzung leiden würde, er sieht das Lehnen-Debüt „This Could Be Our Dream Home“ durchaus kritisch, schätzt die elektronischen Experimente des Nachfolgers „Awake“, sieht darin aber immer noch Probleme mit der Identität der Band und meint, dass Lehnen nach Tourneen durch die USA und der EP „We Were Made For Destruction“ eingesehen haben, dass sie in Österreich vermutlich nie so richtig „in“ sein würden (Warum auch immer, der sphärisch-dynamische Sound von Songs wie „Home“ versprüht nämlich jede Menge Festivaltauglichkeit). Aus der Schlussfolgerung, dann eben gleich zu tun, was man will, wurde in anderthalbjähriger Studioarbeit das Konzeptalbum „I See Your Shadow“, und es wäre nicht das erste Mal, dass eine Band, die auf alles pfeift und nur ihrem Stern folgt, gerade deshalb auf umso mehr Gegenliebe trifft.
Wiederholte Popfest-BesucherInnen werden in Bassist Stefan Sieder übrigens auch den Frontmann von Contrails, einer der besten Bands des letztjährigen Line-Ups wiedererkennen.