CULK

Reduzierte man sie auf den Sound ihrer zwei Alben der letzten zwei Jahre (das titellose Debüt, gefolgt von „Zerstreuen über euch“), nachtwandelnd durch die Nachwelt von Joy Division, The Psychedelic Furs oder den melodiösen Sonic Youth, dann wären Culk schon überzeugend genug. Aber ihre deutschsprachigen Texte eröffnen noch eine weitere Dimension, und die ist poetisch, aber unmissverständlich. „Deine Nicht-Worte für mich führen mich in die Ohnmacht / Verschweigung bringt Vertreibung / Vertreibung bringt Verschweigung“, singt Multiinstrumentalistin Sophie Löw im Song „Die Dichterin“ und trägt dazu – für alle, die’s genau ausbuchstabiert brauchen – auf dem Rücken ihres Hemd die in Gaffa-Band geschriebene Botschaft: „FCK GENERISCHES MASKULINUM“
Tatsächlich fühlt sich „Zerstreuen über euch“ wie eine Art feministisches Konzept-Album an, vom hypnotisch aus dem Nico-esken ins Monumentale kippenden Eröffnungs-Stück „Leuchten und Erleuchten“ über die Straße („Nacht“) und das Eigenheim („Helle Kammer“) bis in die eigene, beschädigte Psyche („Jahre später“). „Die von Sophie Löw verfassten Texte wollen kein neoliberales female empowerment,“ erklärt der Pressetext von Siluh Records, „Sie sagen dem Publikum nicht, dass Frauen super sind und alles schaffen können. Sie wollen vielmehr einen Raum in und außerhalb der deutschsprachigen Popmusikszene schaffen, in dem kollektive Erfahrungen von Frauen im Patriarchat, das sie stets unterdrückt, an ihren Platz verweist und zum Schweigen bringen will, künstlerisch verarbeitet und gemeinsam verhandelt werden.
Trotz der häufig verwendeten Ich-Form weisen die Geschichten weg von individualisierten Erlebnissen hin zum Aufzeigen kollektiver Traumata, kleiner und großer, offensichtlicher oder lange unbemerkter. Sie beschreiben Wir-Erfahrungen auf eine schmerzvolle und intime, aber nie voyeuristische Art. Sie scheinen zu sagen, ‚Das ist alles da, das erleben wir jeden Tag, was machen wir jetzt damit?‘ Sie sind ein Anklagen der Verhältnisse ohne Zeigefinger, ein subtiles, aber doch intensives Ringen mit ihnen.“
„Sophie Löw hat einfach so eine wunderbare PJ Harvey-Düsternis an sich wie sonst niemand, den ich kenn, aus dieser österreichischen Musikwelt“, sagt Popfest-Ko-Kurator Herwig Zamernik.
Der Name ihrer Band (mit Johannes Blindhofer, Gitarre, Benjamin Steiger, Bass, und Christoph Kuhn, Schlagzeug) steht übrigens angeblich für nichts Bestimmtes, bzw. ihren Texten nicht im Weg. Wie man ihn nun eigentlich ausspricht, kann Zamernik, der die Band beim Popfest zum ersten Mal treffen wird, auch nicht beantworten. „Ich glaub, man sagt ‚Kalk‘,“ meint er auf Nachfrage zum Programmschreiber, „aber du hast mit ‚Kulk‘ schon recht, weil ich heiß ja auch ‚Futzmann‘.“

Foto © Sophie Loew