Zum dritten Mal spielen sie beim Popfest, wie jedesmal mit reichlich neuem Material im Akkordeon-Koffer. „Manche sind ja der Meinung, Attwenger sei die unnachahmlichste Band zwischen Linz und Übersee“, schreibt Nebenher-Literat Markus Binder auf ihrem jüngsten Info-Zettel (unsere Großbuchstaben, Anm.), „Andere wiederum haben noch nie von uns gehört bzw. schon wieder auf uns vergessen. Drum haben wir ‚Drum‘ gemacht, unser neuntes Studioalbum, eine überfällige Boomer-Produktion, 15 neue Songs mit allem drum und dran.“
Es hatte schon einmal eine längere Pause zwischen den Veröffentlichungen verlässlich einsilbig benannter Attwenger-Alben gegeben, nämlich zwischen Album Nummer fünf („Dog“, nach „Pflug“, „Luft“, „Song“ und „Sun“) und sechs („Flux“, 2011, vor „Clubs“). Und jetzt eben, ein präzises Jahrzehnt später, zwischen Alben acht („Spot“, 2015) und neun („Drum“, dieses Jahr). Aufmerksamen Diskograf*innen wird dabei im Verlauf der vergangenen drei Dekaden nicht nur der ausgeprägte Hang zu oberösterreichisch-englischen Homophonen oder Homonymen arg eingefahren sein, sondern auch die darin durchklingende, kompromisslos durchexerzierte Behauptung Binder/Falkners, dass sich jede Form von Popularmusik letztendlich mit der Volksmusik ihrer Herkunft kreuzen lasse.
Dass Attwenger in ihrer langen Laufbahn trotz sich verändernder ideologischer Normen dennoch nicht als ausbeuterische Aneignungstäter überführt wurden, liegt nicht zuletzt daran, dass sie sich nie vom heimelig heimischen Applaus alleine sättigen ließen. Stattdessen bereisten sie – solange es die Weltgesundheit erlaubte – hungrig nach Austausch konzertierend alle Winkel der Erde und setzten ihre Musik so der harten Probe fremder kultureller Kontexte aus, von Russland bis Vietnam, von Mexiko bis Zimbabwe, von den USA bis Myanmar.
Nach Erfahrung des Programmschreibers gibt es übrigens wenig surrealere Erlebnisse, als in einem Londoner West End-Kino inmitten europhiler Cineast*innen zu sitzen, die gekommen sind, sich ehrfürchtig „Little Joe“ von Jessica Hausner anzusehen, und bei der Gelegenheit in voller Lautstärke per Surround-Sound-Boxen Attwengers „Happinessbisness“ reingedrückt zu kriegen. Dieser Song findet sich nun auch auf ihrem Neuntling zwischen Vorstößen in Richtung Eben-nicht-Drill („erso&-sieso“), Tanzhallen-Dancehall („damlaung“), Garagen-Punk/Neo-Big-Beat („foisches viech“, „völlig wurscht“) oder Polka („real“). Dazu Binder: „Hier ist sowieso alles konstruiert. Bis zu 70 Spuren pro Song, jede davon auf die eine oder andere Weise bearbeitet, die Texte, sofern nicht spontan entstanden, über Monate, teilweise über Jahre zusammen gefrickelt. Hier ist nichts authentisch, aber alles täuschend echt.“ Und auf der Bühne wird all das dann wieder wieder auf seine Essenz reduziert. Auf Binder und Falkner, Schlagzeug, Mikrophon und Akkordeon.
Foto © Hupfauer / Grafik © Wimmer